#Walkabout – Freitag – Tag 5

#FolgedeinemStern

Wir starten gegen 6.20. Später als geplant, da Marvin seinen Hufschuh im hohen Gras verloren hat und wir länger für unser Müsli brauchen, als gedacht.
Ich bin aufgeregt, heute nicht eines meiner vertrauten Pferde zu reiten, sondern der großen sanften Crow.
Er reagiert unglaublich fein.
Ich könnte mich glatt in ein zweites Pferd verlieben.
Der Weg führt in der morgendlichen noch kühleren Temperatur durch einen zauberschönen schattigen Wald.
Die Rede ist davon, dass wir in Koblenz die Rheinbrücke überqueren, auf der glücklicherweise die Autos wegen Bauarbeiten nur 30 fahren dürfen.
Ich habe großen Respekt davor, mit 6 Pferden durch die Stadt zu reiten.
Es wird heißer, der Weg bis zur Stadt zieht sich scheinbar endlos.
In flimmernder Hitze reiten wir durch Felder, suchen nach Wegen, die inzwischen völlig zugewachsen und unkenntlich sind, führen die Pferde bergauf und bergab durch schwieriges Gelände und es wird noch wärmer.
Ich beginne zu glühen.
Ich habe den Eindruck, dass mein Gehirn eintrocknet.
Auf meiner Haut könnte man Spiegelei braten.
Wir steigen ab und gehen neben den erhitzten Pferden ein paar Kilometer, machen dabei kurze Pausen, das Gras auf den Wiesen scheint völlig vertrocknet zu sein und Wasser scheint so flüchtig, wie Gedanken.
Bei jeder Gelegenheit versorgen wir die Tiere per Eimer.
Ich schliesse für einen Moment die Augen und beginne mich zu fragen, warum ich diesen Weg gehe.
Bildschirmfoto 2019-07-30 um 22.40.57
***
Eine gute Frage!
Eine der wichtigsten Fragen, die wir uns überhaupt stellen können.
Es ist die Frage nach dem WARUM
Warum gehen wir auf die Reise?
Welche Karotte lockt?
Wofür lohnt es sich – zum Beispiel durch die Hitze des späten Vormittag zu wandern?
Wofür brenne ich?
Wofür verbrenne ich meine Kalorien?
***
Ich spüre den Rücken des schönen dunklen Pferdes unter mir, fühle den Atem aus neugierigen Nüstern an meinem Ohr, atme den Duft von Pferden, Wind, Sonne und Freiheit.
Ich erinnere mich!
Es füllt mein Herz mit Freude, unterwegs zu sein.
Ich komme zur Ruhe im Wald und auf dem Weg.
Mir geht das alte Lied nicht mehr aus dem Sinn: „…bin auf meinem Weg, schon so lang, bin müde und schwer schon so lang, will nach Süden ans Meer schon so lang, bin auf meinem Weg ohne Wiederkehr, schon so lang…“
Meine Gedanken werden abgelöst von kleinen Explosionen in der Gruppe.
Durch ungeplante Umwege wird es später als erwartet.
Erst um die Mittagszeit überqueren wir den Rhein.
Am Ufer auf der anderen Seite finden wir Schatten.
Mehr davon ist im Wald am Berg, den wir in steilen Serpentinen erklimmen.
Nach einer unendlich lang erscheinenden Stunde erreichen wir unser Zwischenziel, einen Parkplatz auf dem unsere heutige Fahrerin wie ein Engel mit Wasser und Obst auf uns wartet.
An diesem Tag haben sich auch Gemüter erhitzt.
Ich gehe weiter. Ich lächle und atme.
Schritt für Schritt.
Wir brauchen eine Platz für die Nacht, denke ich.
Ich führe ein müdes Pony durch den warmen Schatten und ich schicke den Gedanken, dass wir jetzt Wasser brauchen als Stossgebet zum Himmel.
JETZT!
Zwanzig Meter weiter steht ein Gasthaus mit Springbrunnen; es sieht geschlossen aus.
Wir finden dort Asyl für die Nacht und Wasser.
Am Abend sitzen wir zusammen, kühlen unsere Gemüter und jeder wählt für sich, wie sein Weg weiter geht.